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Predigt Reformationstag 31.10.2024

Prediger:in:

Liebe Gemeinde,

2017 vor 7 Jahren war das große Reformationsjubiläum. 500 Jahre Thesenanschlag. Groß wurde es begangen. Der Reformationstag wurde kurzerhand zum Bundesweiten Feiertag. Lutherstätten wurden neu hergerichtet. Eine Neuübersetzung der Lutherbibel wurde herausgegeben. Die damalige Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen verschickte Briefe unter der Überschrift „Einfach frei“ an alle 2,3 Millionen Mitglieder der Landeskirche. Musicals über das Leben des Reformators wurden geschrieben und aufgeführt.

Kurz: Deutschland war stolz auf seinen Reformator. Wir waren Luther.

Natürlich gab es auch die anderen Stimmen, die nicht unberechtigt Luther auch kritisch beleuchteten, insbesondere sein Verhältnis zum Judentum. Es wurden die schwerwiegenden Folgen und negativen Auswirkungen der Reformation bedacht. Auch das gehört dazu, wenn man das große Ereignis der Reformation würdigen will.

Und nun sieben Jahre später? Der Reformationstag ist wieder Halloween. Die Botschaft der Reformation verhallt.

Außer Thesen nichts gewesen? Das trifft auf den Thesenanschlag und das restliche Werk Luthers nicht zu. Dennoch scheint die Botschaft heute so trivial, unrelevant und sperrig daherzukommen. Damals vor 500 Jahren war es eine grandiose Neuerung, aber heute als aufgeklärte moderne Menschen, wer fürchtet sich noch vor Hölle, Teufel und Fegefeuer? Also, warum sollen wir uns daran zurückerinnern? Welche Relevanz hat das geschehen vor über 500 Jahren für unser Leben heute?

Um dieser Frage nachzugehen, lade ich Sie und Euch ein auf eine Reise in die Vergangenheit. Werfen wir einen Blick auf die Zeit Luthers und in seine Schreibstube…

Martin Luther:

Die Menschen haben Angst. Wer kann vor Gott nur bestehen, wenn er uns ins Gericht nimmt? Wir sind doch alle Sünder. Die Kirche gibt klare Richtlinien, wie die Menschen leben sollen, und das ist auch wichtig, denn wer hat das Geld sich eine Bibel zu leisten und selbst wenn, wer kann schon Latein, um die Bibel selbst zu lesen? Deshalb ist es so wichtig, dass wir recht von Gott erzählen, dass wir die Leute, die in Ängsten leben nicht weiter verunsichern. Aber der hiesige Klerus hat nichts Besseres im Sinn als mit dieser Verunsicherung Geld aus den Gläubigen rauszupressen, indem er ihnen Ablässe verkauft, damit Gott von seinem Zorn ablässt und die Strafe im Fegefeuer verkürzt. Der schlimmste unter ihnen ist ein gewisser Tetzel. Immerzu wirbt er für die Ablässe: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer in den Himmel springt.“ Pah, so ein Schwachsinn. Es muss eine Lehrdiskussion geben. So kann es jedenfalls nicht weitergehen, denn als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“, wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden Buße sei. Das ist meine erste These. 94 weitere folgen und die schlage ich jetzt heute an die Kirchentür.

(Hingehen und Thesen anbringen)

Predigerin:

Da läuft er, der Dr. Luther und schlägt seine 95 Thesen an die Kirchentür der Wittenberger Schlosskirche. Das war am 31. Oktober 1517.

Jetzt gut 500 Jahre später sind wir in einer anderen Situation. Angst vor dem strafenden Richter-Gott dürften nur noch die wenigsten haben. Heute sind wir es gewohnt Gott als den liebenden Vater anzusprechen. Ein Kuschelgott dominiert den Glauben, so denn überhaupt noch geglaubt wird. Die Kirche hat für die meisten Menschen in ihrem Alltag an Relevanz verloren. Man braucht die Kirche nicht mehr und schon gar nicht soll sie einem vorschreiben, wie man leben soll. Ihre Botschaft ist altbacken, nicht mehr alltagstauglich und überhaupt welchen Nutzen hat die Kirche denn noch? Gibt es doch genügend weltliche Dinge, die uns einen Sinn in unserem Leben geben. Familie, Freunde, Beruf bringen Ansehen, Erfolg und Geld. Viele neue Statussymbole, sind die Ablässe unserer heutigen Zeit. Dabei geht es aber nicht mehr darum, dass Gott vom Zorn auf die menschliche Sünde ablässt, sondern vielmehr darum, dass man sich nicht seinen Selbstzweifeln hergibt. Die Medien und sozialen Netzwerke unserer heutigen Zeit befeuern dies zusätzlich. Bilder des perfekten Lebens werden uns tagtäglich vor die Augen gehalten. Ein Ideal, an das man nie heranreichen kann. Und hier können wir uns mit den Menschen vor 500 Jahren die Hand reichen. Auch ihnen wurde von der Kirche ein Ideal vor Augen gestellt, wie das perfekte Leben vor Gott gelingen kann, an das sie aber nie heranreichen konnten. Einziger unterschied unsere heutigen Richter über unser Leben sind selbstgewählt. Die Frage ist doch dieselbe: Wie kann Leben gut gelingen? Auch wenn Martin Luther es etwas anders formuliert hat:

Martin Luther:

Wie bekomme ich nur einen gnädigen Gott? Ich weiß, dass Gott gerecht ist, aber ich kann seiner Gerechtigkeit nicht standhalten. Gebetet, gefastet, ja selbst gezüchtigt habe ich mich. Aber ich bin und bleibe ein Sünder und selbst bei dem allen, kann ich niemals vor Gottes Gerechtigkeit bestehen. Was bleibt mir noch, außer weiter in der Bibel zu forschen, wie es mein Beichtvater mir geraten hat.

(Bibel aufschlagen)

Der Brief des Paulus an die Römer erstes Kapitel:

„Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: »Der Gerechte wird aus Glauben leben.«“

(kurz grübeln und dann ganz freudig)

Oh mein Gott, ja natürlich. Der Glaube macht die Menschen gerecht vor dir und du schenkst uns den Glauben an dich. Deine Gerechtigkeit ist Gnade und Jesus Christus dein Sohn der lebendige Beweis. Ich bin und bleibe zwar immer noch ein Sünder, aber deine Gnade spricht mich dennoch gerecht. Simul iustus et peccator. Gepriesen seist du Gott.

So soll es also sein diese vier Dinge sind es die ein Christenleben ausmachen:

(Lied: Sola fide)

Predigerin:

Ein bisschen verkürzt und auf den Punkt gebracht. Dies ist die grandiose Erkenntnis Luthers, die manchmal auch Turmerlebnis genannt wird. Gott lässt im Gericht Gnade vor Recht ergehen. Er spricht durch den Glauben uns Menschen von unserer Sünde frei, obwohl wir schuldig sind. Auch wenn wir unsere Beziehung zu ihm kappen, er tut es nicht.

Dagegen sind die selbstgewählten Richter unserer heutigen Welt unbarmherzig. Meinungen und Verhalten, dass ihnen nach ihren subjektiven Maßstäben missfällt wird gerade in den sozialen Medien gnadenlos abgestraft. Man bekommt einen Dislike, einen Daumen runter, einen negativen Smiley, wird entfolgt oder löst sogar einen Shitstorm aus.

Dennoch wählen sich die Menschen allzu gerne diese gnadenlosen Kritiker als Richter über ihr eigenes Leben. Allzu häufig machen wir uns von derlei Meinungen abhängig, obwohl der eine, auf den es in unserem Leben wirklich ankommt, obwohl Gott uns gnädig ansieht.

Dennoch auch der gnädige Gott verteilt keine billige Gnade, so wie es ein Kuschelgott tun würde, der alles nur langmütig vergibt und über alles hinwegsieht. Wir können nicht alles richtig machen. Als Menschen handeln wir falsch, falsch gegenüber unseren Mitmenschen und falsch gegenüber Gott. Dessen sind wir schuldig und niemand kann sich davon freisprechen. Worte und Gedanken, die in der heutigen Zeit der Selbstoptimierung wohl nicht mehr populär sind. Doch als Christen müssen wir uns eingestehen: Wir alle sind Sünder. Unsere Beziehung zu Gott ist etwas Zerbrechliches, das wir nicht kitten können. Aber Gott kann es, dessen sollen wir uns bewusst sein. Der Glaube an Jesus Christus, der uns von Gott geschenkt ist, macht uns Gottes Gnade offenbar. Das haben wir eben auch in dem Lied gehört: Und die Schrift erzählt davon. Dr. Luther mögt Ihr uns unseren Heutigen Predigttext nochmal in Euren Worten verlesen?

Martin Luther:

Auch wenn meine Sprache noch vielen Leuten vertraut ist, so ist sie für viele auch nicht mehr verständlich. Man muss die Mutter im Hause, die Kinder in den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt fragen und diesen aufs Maul sehen, wie sie reden und danach dolmetschen. So verstehen sie es dann und merken, dass man Deutsch mit ihnen redet.

Darum so schreibt der Apostel Paulus im dritten Kapitel seines Briefes an die Römer:

Aber jetzt ist Gottes Gerechtigkeit offenbar geworden, und zwar unabhängig vom Gesetz. Das bezeugen das Gesetz und die Propheten. Es ist der Glaube an Jesus Christus, der uns die Gerechtigkeit Gottes zugänglich macht. Der Weg zu ihr steht allen Glaubenden offen. Denn in dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied: Alle sind schuldig geworden und haben keinen Anteil mehr an der Herrlichkeit Gottes. Sie verdanken es also allein seiner Gnade, dass sie von Gott als gerecht angenommen werden. Er schenkt es ihnen aufgrund der Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Durch dessen Blut hat Gott ihn als Zeichen der endgültigen Versöhnung eingesetzt. Und durch den Glauben erhalten wir Anteil daran. So hat Gott seine Gerechtigkeit unter Beweis gestellt. Lange hat er die Verfehlungen ungestraft gelassen, die früher begangen wurden. Gott hat sie in Geduld ertragen. Doch jetzt, zu diesem besonderen Zeitpunkt, will er beweisen, dass er wirklich gerecht ist. Ja, er ist gerecht. Und er nimmt diejenigen als gerecht an, die aus dem Glauben an Jesus leben. Gibt es irgendeinen Grund, auf etwas stolz zu sein? Nein, das ist ausgeschlossen! Welches Gesetz schließt das aus? Etwa das Gesetz der Werke? Nein, sondern das Gesetz des Glaubens! Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch allein aufgrund des Glaubens gerecht ist – unabhängig davon, ob er das Gesetz befolgt.

Amen.

Ach und noch etwas: Alle rechten Predigten gehen dahin, dass wir glauben sollen, allein Christus sei der einzige Heiland und Trost der Welt.

Predigerin:

Danke, Dr. Luther. Wir alle sind schuldig, wir alle sind Sünder. Da führt kein Weg dran vorbei. Doch Gott baut uns eine Brücke zu sich. In Christus ist Gott in die tiefe Wirklichkeit dieser Welt gekommen, damit wir zu ihm finden können. Und durch Christus vergibt uns Gott unsere Sünde, damit wir befreit vor ihm und vor der Welt leben können und in der Welt als Christen handeln können.

Als Sünder und Gerechte zugleich sind wir immer angewiesen auf Gott unseren gnädigen Richter und auf Jesus Christus den einzigen Heiland und Trost der Welt.

Martin Luther:

Wir sind Bettler. Das ist wahr.

Amen.

Die Bibelübersetzung entstammt der Basisbibel.

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