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Predigt 8.Trinitatis (21.7.2024)

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Liebe Gemeinde,

gestern vor 80 Jahren um 12:42 Uhr detonierte im Führerhauptquartier in Ostpreußen eine Bombe. Die Gruppe um Claus Schenk Graf von Staufenberg hatte dieses Attentat von langer Hand geplant, um Hitler zu töten. Es kam anders als geplant. Die Tischplatte dämpfte die Detonation. Vier Menschen starben, fast alle in dem Raum befindlichen Menschen wurden verletzt. Hitler überlebte. Noch in derselben Nacht wurden die führenden Personen des Attentats als Verschwörer hingerichtet. Die damaligen Verschwörer gelten heute 80 Jahre danach als Vorbilder, das Attentat selbst als „Aufstand des Gewissens“.[1] Attentäter und Mörder als Vorbilder, ist das christlich? Ist das gut?

Kann ein Mord etwas Richtiges sein, oder ist ein Mord immer und zu jeder Zeit etwas Falsches? Die Antwort darauf fällt uns auf den ersten Blick leicht, „Du sollst nicht morden“ ist das fünfte der 10 Gebote, die Mose am Berg Sinai erhalten hat. Es ist ein Gebot, ohne das menschliches Zusammenleben nicht möglich wäre. Ein Mord zerstört eine Gemeinschaft, eine solche Tat schreit nach Rache oder Vergeltung, und zieht damit wohl meist weitere Dunkelheit nach sich.

Sowas ist gewiss keine „Ertrag“ oder wie man auch übersetzen könnte, keine „Frucht des Lichts“, wie sie der Predigttext darstellt. Ein Mord bringt als Frucht weder Güte, noch Gerechtigkeit, hervor. Bestimmt zählt er zu den Taten, die man, sofern man daran irgendwie beteiligt war, zu verbergen sucht. So wird ein Mord auch eher Lüge als Wahrheit nach sich ziehen.

Wie ist es also möglich einen Mord als ultima ratio zu denken. Eine Frage, die sich vor 80 Jahren auch die Gruppe um Stauffenberg mit der Hilfe Dietrich Bonhoeffers sehr intensiv gestellt hat. Denn es ging nicht um irgendeinen Mord, sondern die seit Menschengedanken immer wieder gestellt Frage des Tyrannenmordes. Ihr Ziel ist, nachdem alle anderen Methoden versagt haben, einen Menschen in seinem Streben aufzuhalten, um viele andere Menschen zu schützen. In diesem Fall geht es um die Verhinderung der systematischen Vernichtung von Millionen Menschenleben in den Konzentrationslagern, und ebenso darum einen Krieg zu beenden, der täglich tausende Tote fordert.

Ein Sprichwort sagt: Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Oder umgekehrt. Ohne das eine gibt es das andere nicht. Im menschlichen Leben sind es zwei Seiten derselben Medaille, wie auch unser heutiger Predigttext weiß:

8b- Aber jetzt seid ihr Licht, denn ihr gehört zum Herrn. Führt also euer Leben wie Kinder des Lichts!
9 Denn das Licht bringt als Ertrag lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. –
10Prüft also bei allem, was ihr tut, ob es dem Herrn gefällt!
11Und beteiligt euch nicht an Taten, die der Finsternis entstammen und fruchtlos sind. Deckt vielmehr solche Taten auf!
12Denn es ist eine Schande, auch nur von dem zu reden, was manche im Verborgenen tun.
13Aber alles, was aufgedeckt ist, wird dann vom Licht erleuchtet.
14Und alles, was vom Licht erleuchtet ist, wird selbst zum Licht.
Deswegen heißt es:

»Wach auf, du Schläfer, und steh auf vom Tod!

Dann wird Christus dein Licht sein.«

Der Brief von Schülern des Paulus an die Gemeinde in Ephesus. ist ein zirkulären Brief, dessen Adressaten mehrere Gemeinden in Kleinasien waren. Der vorliegende Ausschnitt ist Teil eines größeren Zusammenhangs, in welchem zur Nachfolge Christi im Alltag aufgefordert wird.[2]

Nimmt man den ersten Teil von Vers 8 hinzu, erhält man ein stimmiges Ganzes.

„Früher lebtet ihr in Dunkelheit, nun lebt ihr im Licht.“ Das zielt stark auf die Veränderung des Lebens durch den Glauben ab, einst in der Dunkelheit der Welt, leben die Gläubigen nun im Lichte Christi. Das „Licht-Sein“ wird ihnen zugesprochen. Es ist Folge der Begegnung mit Jesus als Christus. Es bedarf keiner Werke, ausschließlich der Begegnung und dem Glauben.
Aus diesem Zuspruch folgt der Anspruch, an das Leben der Gläubigen: sie sollen ein Leben in Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit führen.
Es soll sich ausrichten, wie Vers 10 klarstellt, an dem „was dem Herrn gefällt“.

Negativ grenzt der Brief das auf den ersten Blick gut ab: „Haltet euch fern von den Taten die der Finsternis entstammen. Die Verse gehen jedoch weiter. Ziel ist es nicht mehr nur, die Dunkelheit zu meiden, sondern auch ihre Werke offenzulegen. Licht dorthin zu bringen, wo bisher die Dunkelheit zu regieren schien.

Dies ist der ethische Anspruch des Textes, das ist eine Aufgabe, die uns als Gemeinschaft zufällt. Licht in die dunkle Geschichte dieser Welt zu bringen. Licht in die Gottesferne dieser Welt zu tragen, das Licht Jesu Christi. Verantwortlich gegenüber unseren Mitmenschen handeln, in und aus dem Licht, dass uns zugesprochen ist. Ein jeder und eine jede in unserem Alltag, in allen kleinen und großen Entscheidungen unseres Lebens.[3]

8b- Aber jetzt seid ihr Licht, denn ihr gehört zum Herrn. Führt also euer Leben wie Kinder des Lichts!
9 Denn das Licht bringt als Ertrag lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. –
10Prüft also bei allem, was ihr tut, ob es dem Herrn gefällt!
11Und beteiligt euch nicht an Taten, die der Finsternis entstammen und fruchtlos sind. Deckt vielmehr solche Taten auf!
12Denn es ist eine Schande, auch nur von dem zu reden, was manche im Verborgenen tun.
13Aber alles, was aufgedeckt ist, wird dann vom Licht erleuchtet.
14Und alles, was vom Licht erleuchtet ist, wird selbst zum Licht.
Deswegen heißt es:

»Wach auf, du Schläfer, und steh auf vom Tod!

Dann wird Christus dein Licht sein.«

Auf den zweiten Blick, ist die Abgrenzung leider nicht immer so leicht? Ist die Intrige zur Ermordung Hitlers ein Werk des Lichts, oder ist sie ein Werk der Finsternis? Es ist das Planen im Schatten der größeren Weltgeschehnisse, die Angst vor Entdeckung, die mit dem Plan bestimmt einhergingen, das erste Hinweise darauf gibt, dass es eben doch ein Werk der Finsternis ist. Ein Mord, das kann kein Werk des Lichts sein. Wie will man etwas derartiges verantworten?

Aber noch schwerer, wie will man nichts tun und damit das Zulassen der Verbrechen, verantworten? Wie können wir als Christen mit der Verantwortung umgehen, Licht in der Welt sein zu sollen, und Angesichts der Gräueltaten des dritten Reiches, aber auch der aktuellen Krisen, Schweigen? Wie könnten wir so ein Licht sein, das den Anspruch hat Widerschein Christi in der Welt sein zu wollen? Wie steht es vor diesem Hintergrund mit persönlicher Schuld?

Die Antwort darauf ist klar, ein Mord ist keine Tat des Lichts. Bonhoeffer versucht auch nicht, sie als solche darzustellen. Er leugnet später auch nicht seine Beteiligung daran, er steht zu seiner Überzeugung. Er bringt Licht, auch in diese Dunkelheit. Er handelt, im Bewusstsein gegen weltliche Gesetze und Gottes Gebote zu verstoßen, und damit Schuld auf sich zu laden. Mit dieser Schuld vertraut er sich dem Urteil Gottes an, denn, wie Bonhoeffer in seiner Ethik schreibt: „so oder so wird der Mensch schuldig, und so oder so kann er allein von der göttlichen Gnade der Vergebung leben“[4]. Natürlich ist die Situation, in der sich Dietrich Bonhoeffer befindet, eine Ausnahmesituation. Der Mord als Lösung, der Verstoß gegen Gottes Gebote und weltliches Recht, es ist ein Dilemma. Persönliche Schuld auf sich zu laden, aus Liebe zu meinen Mitmenschen, kein Königsweg. Es ist ein Weg der Verantwortung und Demut. Den perfekten Weg gibt es nicht, Helden gibt es hier auch nicht. Schuldfrei kommt Niemand aus dieser Situation heraus, und auch das erscheint im Licht Christi.

Dieses Dilemma zeigt, wie schwer es ist – und das nicht nur in einer Extremsituation, wie Bonhoeffer sie erlebt hat – zu unterscheiden was gut und schlecht, was Licht und Dunkel ist.

Soll ich etwas tun oder sagen, was nicht ganz richtig ist, dafür aber gute Auswirkungen hat oder zumindest haben soll? Die Frage dürfte jedem von uns schon einmal begegnet sein. So wie einer Ärztin, die vor vielen Jahren davon erzählte, dass sie bei einer Prüfung in ihrem Studium geschummelt hatte. Hätte sie es nicht getan, wäre sie nicht Ärztin geworden und hätte vielen Menschen nicht helfen können. Richtig war es nicht, auch wenn die Auswirkungen für ihre späteren Patienten und Patientinnen sicher gut waren. Schuldgefühle plagten sie aber bis zu ihrem Ruhestand.

Das wir mit unserem Unser Tun und Lassen hat immer Auswirkungen und in unserem Tun und Lassen laden wir dabei auch Schuld auf uns. Wo das Licht scheint, ist dann auch schnell ein Schatten geworfen. Etwas, dass wir auch immer wieder in unseren Alltag erleben.

Dennoch ruft uns der Epheserbrief ins Handeln. Wir sollen prüfen, was recht ist und was dem Herrn gefällt. Als Christen leben wir in dieser Welt, die manches Mal so ganz und gar Christus fern scheint. Dennoch haben wir eine Verantwortung für diese Welt, in ihr sollen wir leben und handeln. Unser Maßstab für unser Handeln ist dabei Christus, auf dem wir zurückgeworfen sind. Sei es gut, was wir tun oder auch schlecht. Im Wissen um seine Fehlbarkeit, schreibt er in seinem Rechenschaftsbericht, den er nach 10 Jahren über seine Arbeit schreibt, recht gut zusammen

Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.

Es zeigt, wie oft wie scheinbar an unseren eigenen Grenzen scheitern, aber wie vielleicht auch daraus Gott anderen Menschen gutes erwachsen lassen kann. Nicht unser Scheitern hat das letzte Wort, sondern Gottes Wort ist das letzte Wort. Gott bringt das Licht in diese Welt.

13Aber alles, was aufgedeckt ist, wird dann vom Licht erleuchtet.
14Und alles, was vom Licht erleuchtet ist, wird selbst zum Licht.
Deswegen heißt es:

»Wach auf, du Schläfer, und steh auf vom Tod!

Dann wird Christus dein Licht sein.«

Es wird, wie die Verse 13 und 14 zeugen alles aufgedeckt, und mehr noch es wird auch getadelt, wie in dem griechischen Begriff ἐλέγχω mitschwingt, sodass eine Buße möglich ist. Es wird danach alles vom Licht erleuchtet, die Finsternis ist nicht mehr. Sie ist kein Versteck mehr. Es fängt sogar alles an selbst ein Teil von dem Licht zu sein, dass die Welt erleuchtet. Ein Teil von dem Licht zu sein, dessen Widerschein wir Christen sind, und dass wir in der Welt verbreiten sollen. Ein Jeder und eine Jede an dem Ort, an den sie und ihn Gott entsandt hat, mit den Talenten, die uns für diese Aufgabe gegeben wurden. Dem gilt besonders der Weckruf, mit dem der Vers abschließt:

»Wach auf, du Schläfer, und steh auf vom Tod!
Dann wird Christus dein Licht sein.«

Das mag heißen handele, lass nicht zu, dass um Dich herum Unrecht geschehe, dass im Verborgenen bleibt. Lass überhaupt kein Unrecht zu, handele durch die Kraft des Glaubens und sei damit Licht in der Welt, damit Christus Dein Licht ist, dass durch Dich in die Welt scheint.

Auf diese Führung sind wir im Kern immer wieder, in allen was wir als Erfolg erleben, in allem, was wir als Scheitern erleben, angewiesen und zurückgeworfen.

Besonders in Zeiten, in denen wir an unsere Grenzen stoßen, oder an unseren Grenzen scheitern, sind wir zurückgeworfen auf die Gnade Gottes. Es ist diese Gnade, mit der unser Glaubensweg begann. Keine besondere Leistung befähigt uns zum Glauben, viel mehr ist Glauben ein Geschenk. Und wir sind immer wieder zurückgeworfen auf dies Geschenk, auf die Vergebung Gottes, die uns durch Jesus Christus zugesprochen ist, nur damit können wir dem Aufruf folgen:

»Wach auf, du Schläfer, und steh auf vom Tod!
Dann wird Christus dein Licht sein.«

Oder wie es der Prophet Jesaja sagt; „lasst uns schon jetzt im Licht des Herrn leben!“.

„Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre und Herzen und Sinne in Jesus Christus“


[1] Nach https://www.lpb-bw.de/stauffenberg-attentat (letzer Aufruf 13.7.2024).

[2] Quelle: Von Geschenk und Aufgabe des Lichtes, 397.

[3] Nach https://www.fr.de/politik/raketen-russland-pilot-kommandeure-ukraine-krieg-flugzeug-krankenhaus-kinderkrankenhaus-angriff-zr-93183648.html (letzter Abruf 13.7.2024)

[4] Dietrich Bonhoeffer: Ethik, 275.

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